Die Nacht war wie erwartet seglerisch eine
Herausforderung. Starkwind, Regen, ein- und ausreffen, aber auch super Wellen,
ein Wahnsinnsmond, der am Ende der Nacht voll erstrahlte und die Nacht überhaupt
nicht richtig dunkel werden ließ.
Das Hineinrauschen in den warmen Morgen mit den besonders
hohen Wellen und bis zu 30 Knoten Wind wird wohl zu meinen Lebenserinnerungen
gehören (entschuldigt: Heute ausnahmsweise in der ich-form). Den anderen geht es
auch so. Jeder genießt die letzte Wache am Steuer und saugt diese Minuten auf
wie ein Schwamm. Obwohl oder vielleicht genau weil die letzten zwei Tage nicht
nur bequemes Passatwindsegeln waren. Man merkt, dass in diesen Momenten die
Gespräche verstummen und die Gedanken ganz woanders sind. Seit dem Morgen
scheint die Sonne, der Wind bleibt uns gewogen und wir errechnen immer wieder
die geplante Ankunftszeit, in der Hoffnung es doch noch bei Tagesicht zu
schaffen. Alle Wachen segeln aufmerksam und so schnell sie können. Bis ca. 17:45
Uhr haben wir Tageslicht. Alle wissen, das jetzt jeder halbe Knoten
Geschwindigkeit zählt! Am Vormittag überkreist uns ein Propellerflugzeug
mehrfach in geringer Höhe. Wir winken wie die Kinder und er grüßt zurück. Mal
sehen: Vielleicht ein Fotograf.
Um 14:00 Uhr kommt Martinique als entfernter Schatten am
Horizont in Sicht. Die ganze Crew ist im Cockpit. Nur kurze Zeit später auch St.
Lucia. Wenn das kein Grund ist, um den genau für die Zeitpunkt gebunkerten Sekt
zu Köpfen?
Noch zwei, vielleicht drei Stunden dann ist dieses
Abenteuer vorbei. Dann haben wir tatsächlich den Atlantik überquert. Ein
bisschen Wehmut macht sich breit. Wir hatten unglaublich emotionale Erlebnisse.
Das in der Flauten Stehen und die Gedanken dabei, warum man sich das antut,
gehörte genauso dazu wie Wellenreiten mit der Estrella und Delphine, Wale,
Squalls und Starkwindsegeln, Sternenhimmel, Vollmondnächte, Sternschnuppen und
und und. Wir hören schon die Funksprüche der Rallyleitung für die anderen
einlaufenden Boote. Wir haben 99 % der Überfahrt geschafft, nur noch 28 Meilen
bis zum Ziel. 2800 Meilen auf offener See liegen hinter uns! Die ersten
Glückwünsche per WhatsApps gehen ein.
Alle sind (wieder) wohlauf, das Boot und die Besatzung
haben keinen Schaden genommen. Das ist das Wichtigste. Die Aufregung steigt. Den
Zieleinlauf wollen wir( und auch ich) mit allen Sinnen erleben. Dieser Block
endet deshalb heute hier. Morgen berichten wir über diesen besonderen Augenblick
und das Geschehen danach.
Rainer