Jo - Tag 21 - Aberglaube und Taufe

Bevor wir in den seemännischen Aberglaube eintauchen, sei noch kurz als Nachtrag zum gestrigen Blog erwähnt, dass das Brot nicht nur super aussah, sondern auch sehr gut geschmeckt hat. So gut, dass kein Korn mehr übrig ist und Adam und Peter St. morgen gerne die nächste Backrunde starten können. Mehl und Körner haben wir noch genug...

Ach und noch ein Nachtrag, da gab's doch vor ein paar Tagen mal ein Rätsel - hat das in der Zwischenzeit jemand geschafft zu lösen oder ist es in Vergessenheit geraten? Falls sich noch jemand darüber den Kopf zergrübelt und nur noch Nüsse auf Waagen vor sich sieht, hier noch zwei weitere Tipps:

- Um die falsche (leichtere oder schwere) Nuss in den zwölf Nüssen zu finden, ist es hilfreich, mit verschiedenen farbigen Steinen, Kugeln, o.ä. zu arbeiten (wir haben mangels Material dafür zwölf Gummibärchen genommen, geht auch, nur essen sollte man sie danach vielleicht nicht mehr).
- Im ersten Wiegeschritt werden die Nüsse in drei 4er-Gruppen unterteilt.
Das muss nun als Lösungsansatz reichen, mehr hatten wir auch nicht zur Verfügung. Fröhliches Weiterrätseln. :-)

Jetzt aber zum heutigen Tag, der - mal wieder - ganz im Zeichen des Gennackers stand. Denn leider war der Wind immer noch sehr schwach, so dass wir unter der Genau (dem Vorsegel, das fest auf Jo montiert und deutlich schwerer ist) kaum Fahrt gemacht haben. Dank unserer Probeläufe in den letzten zwei Tagen wussten wir nun schon, wie wir den Gennacker richtig anbringen, setzen und trimmen. Das Gennacker Team und die Handgriffe sind eingespielt, und so hat es dann auch keine halbe Stunde gedauert, bis der Stern auf türkisen Tuch wieder aufgebläht vor blauem Himmel und Meer wehte.

Und auch wenn der Gennacker weniger Wind bedeutet und damit eine verzögerte Ankunftszeit, ist der Anblick nach wie vor so schön, dass die Gedanken, wann wir Saint Lucia erreichen werden, in dem Moment vergessen.

Nur erschien es irgendwie nicht richtig, immer nur von "dem Gennacker" oder "dem Tuch" zu sprechen. Denn Seeleute sind abergläubig und überzeugt davon, dass Schiffe und ihr Zubehör eine Seele haben. Auch wir glauben fest daran und dass jedes Schiff eine gute Behandlung verdient. So ist Jo nicht nur unser Zuhause, sondern auch unser großes Baby, aber auch unser Schutz zugleich. Wir hegen und pflegen sie (Schiffe sind dem Aberglauben nach immer weiblich), sprechen mit ihr, verabschieden uns, wenn wir von Bord gehen.
Nicht nur von ihr übrigens, auch von Little Jo (das Dinghy), Mr. Jo (der Außenborder am Dinghy; mit 18 PS darf er ruhig männlich sein), Josy (unser Einhorn Maskottchen), unseren Lieblingsorten, unserer Koje...

Den Dingen Namen zu geben, macht sie gefühlt menschlicher, persönlicher, und verleiht ihnen ihren besonderen Charakter. So war es nach den schönen Erlebnissen mit "dem Gennacker" dann heute an der Zeit, auch ihm (s)einen Namen zu verleihen. Männlich sollte er sein, passend, schön und lustig zugleich, vielleicht auch in Anlehnung an die "dicke Elke", der Gennacker, den wir 2018 eine Saison lang für einen guten Freund auf seinem Schiff gefahren sind.

Als die Worte "der dicke..." erst einmal feststanden, war die Entscheidung schnell getroffen. Denn (jetzt vermischt sich unser Kölscher Patriotismus mit seglerischem Aberglauben) für einen Kölner kann danach nur ein einziger Name folgen. Und somit taufen wir dich, lieber Gennacker, auf den Namen:

Der dicke Pitter!

Pitter ist Kölsch und auf Hochdeutsch "Peter". Die Namensgleichheit mit unserem Skipper Peter ist Zufall (wenn auch ein schöner), denn mit dem dicken Pitter ist natürlich nicht der Skipper gemeint (der ist ja nicht dick). Sondern die größte Glocke im Kölner Dom, der im Kölschen Sprachgebrauch nur "der Dom" genannt wird, übrigens offiziell Sankt Peter heißt und das Wahrzeichen unserer Heimat ist. Beim Anblick des Domes schlägt jedes Kölsche Herz höher, und wenn dann noch der dicke Pitter schlägt, ist Gänsehaut garantiert.

So schien es nur richtig, dass wir nun auch unseren persönlichen dicken Pitter an Bord haben, der heute Nachmittag seine Taufe erhalten hat. Selbstverständlich erst mal nur mit Salzwasser, wir achten für die nächsten Tage noch auf den (Frisch)Wasserverbrauch, und Alkohol gibt es auch erst in ca. einer Woche wieder. Aber dann holen wir das noch mal standesgemäß nach, mit Piton (dem lokalen Bier auf St. Lucia) statt Kölsch, doch die Bierdosengröße hat sogar ein ähnliches Format wie ein Kölschglas. Alles gute Omen, wie wir finden.

So sehr wir den dicken Pitter auch lieb gewonnen haben, so hoffen wir trotzdem, dass wir ihn für die letzten Tage auf See erst einmal nicht mehr zum (An-)Schlagen bringen müssen. Denn heute Nacht soll endlich, endlich wirklich der Passatwind wieder einsetzen und uns bis zum Ziel erhalten bleiben. Hoffen wir mal, dass dem so ist und verabschieden uns für heute mit einem Kölschen Ohrwurm, der uns schon den ganzen Tag begleitet (Erklärung s. u.):

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Su lang beim Lommi die Lichter noch brennen,
su lang der Funk weiß wie'n Stippefott jeht,
su lang der Pitter noch schlägt,
der Spillmannes noch spillt,
ja su lang stirbt der Kölsche nit us.
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So lange beim Lommerzheim (Kultbrauhaus) die Lichter noch brennen,
so lange der Funke (Tanzgarde im Karneval) weiß, wie ein Stippefott (Tanz bei dem die Popos aneinander gestoßen werden) geht,
so lange der Peter noch schlägt,
der Spielmann noch spielt,
ja so lang stirbt der Kölner nicht aus.

Good Night!
Katrin