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Meltemi - Tag 19: Bordbuch der Meltemi, Restanten einer Reise



Man merkt, mir fällt nix mehr ein. Was für eine bescheuerte Überschrift!
Ich kann mich auch nicht entscheiden, wie ich anfangen soll. Also versuchen wir es mal:

- Anfang 1: zur Minute(Donnerstag den 12.12.2019, 13.49 h Bordzeit, also UTC -4) noch 170 sm bis zum Ziel. Der Nordspitze von Saint Lucia, um präziser zu sein. Da liegt unser letzter Wegpunkt. 14°08,1' N, 060°55,7' W. An Bord werden schon Wetten abgeschlossen: Landfall vor oder nach 15 Uhr? Wichtige Vorarbeiten sind erledigt: Aus den tiefsten Tiefen der Achterpik (Selbstschutz) haben wir das Ankommerbier befreit und in unseren Kühlschrank verholt. Nicht mehr lange, und der Spibaum kommt wieder an seinen angestammten Platz am Mast - ca 2.000 sm Schmetterling-segeln finden ihren Abschluß.

- Anfang 2: Ha! Da kann man sich wirklich nicht beklagen. Soeben habe ich ein wunderbares "Abschiedsgeschenk" erhalten. Noch vor wenigen Stunden dümpelten wir so vor uns hin. Im ersten Morgenlicht haben wir die Genua komplett wieder ausgerefft. Dann sind wir im Groß vom 3. in das 2. Reff gegangen. Schlappe 6 Knoten Fahrt... drehende Winde... Was ist? Erwischt uns nun doch noch eine Flaute? Passat, wo bist du?
Und dann: ohne erkennbare Vorwarnung, ohne große Änderungen im Wolkenbild nimmt der Wind plötzlich zu. Wir reffen flugs die Genua, rollen sie dann komplett weg. Die Skipperin kommt und schaut, was da los ist. Und da geht es dann auch los. Kaum habe ich das Ruder übernommen, briest es immer kräftiger. Endlich mal eine kleine Herausforderung. Schon bald loggen wir 33 Knoten wahren Wind und über 10 Knoten Fahrt! "Denkst du das ist noch die passende Besegelung?" fragt unsere Schiffsführerin. "Sehe kein Problem", antworte ich, "der Ruderdruck ist noch o.k., ich kann sie gut halten, auch in der Welle". Eine halbe Stunde Rauschefahrt, dann ist der Spuk vorbei. Ich zische frohgemut ab um den Blog zu schreiben - und da bin ich!

- Anfang 3: ...hatte ich mir zuerst überlegt. - Heute morgen, 06.30 Uhr Bordzeit. Der Morgen graut, es ist ein grauer Morgen. Zum ersten mal bohrt sich die Sonne kein Loch durch die Wolkenschicht - es wird hell ohne den geringsten Sonnenstrahl. Immerhin: ein Möwe begrüßt uns. Kündigt sie das nahende Land an oder will sie uns aus der Weite des Atlantik verabschieden? Es ist schwül-warm. Später zeigt sie sich, die Sonne, ziemlich stechend, und nur kurz. Leichter Regen setzt ein, unentschieden, man weiß noch nicht so recht. Unser letzter ganzer Tag auf See hat begonnen. Das Land kommt wieder näher. An Bord eine eigenartige Stimmung: einerseits ist es durchaus Thema, andererseits wollen wir uns noch nicht darauf einlassen, daß diese Reise schon bald vorbei sein soll...

Tja, aber aus allen Ecken und Enden springt uns das nahende Ende an. Die Lebensmittel gehen zur Neige, eggs are out. Ein Korb Zwiebeln, ein Körbchen mit Äpfeln und Zitronen, ein paar Kartoffeln und drei Süßkartoffeln. Üppig im Angebot sind Nudeln, Speck, Schokolade. Ausreichend vorhanden Brot und Aufschnitt, Marmeladen. Der "every morning müsli manufactoring man" greift schon seit Tagen auf Trockenobst zurück. Und die ungeliebte Büchsennahrung... wer will da schon 'ran?

Wir fahren auf dem letzten Wassertank, das reicht dicke, vielleicht wird es heute abend noch mal eine Runde "duschen dänisch" geben. Mit den Trinkvorräten kämen wir noch durch eine Flaute (natürlich ohne Ankommerbier, keine Chance!).

Die Stimmung ist ungebrochen. Die feuchtwarme Luft ist einigen unangenehm - was wären wir ohne unsere Eimerdusche am Heck. Ein bischen stiller ist es geworden, manchmal.

Ach, und der Klabautermann ist zurück. Mir fehlte eine Socke, die ich am Relingsdraht zum trocknen aufgehängt hatte. Nein, meine Liebe, ich hatte sie gut mit einer Wäscheklammer gesichert, wie die andere auch! Und außerdem hat er an der Logge gefummelt. Die zeigt auf den Geräten am Steuerstand zwar noch unsere Fahrt an, aber im Plotter ist sie verstummt. Strange! Einem von uns hat er die Pin für's Handy geklaut, und das nachts im Schlaf aus seinem Kopf! Und obwohl wir genau wissen, dass das ein oder andere von unseren Lebensmitteln noch da sein muß, ist es unauffindbar. Wer weiß, in welche tiefen entlegenen Ecken er das verräumt hat... Möglicherweise kommt es erst in der Werft in Glücksburg im nächsten Jahr wieder zum Vorschein.

Wir haben viel gelernt und erfahren auf unserer Reise. Für eine Bilanz ist es noch zu früh, das reicht wenn unsere Fußsohlen wieder auf fester Erde wandeln. Stattdessen noch ein paar Reminiszenzen vom Leben auf schwankenden Planken:

In den Kabinen: wunderbar ist, wenn du gerade dein T-shirt über den Kopf gezogen hast, vermeintlich sicher eingekeilt, und dann kommt der Welle harte Hand und du bewegst dich unaufhaltsam nach vorn. Bis zur Kopf- oder Körperbremse an der glücklicherweise nahen Kabinenwand. Oder Wachwechsel. Halbdunkel, nur ein wenig Rotlicht. Du gehst gerade mit dem zweiten Fuß in die Ölzeughose, da passiert's: es schubst dich nach hinten. Keine Hand frei. Bumms. Die einzige angenehme Variante ist, wenn du den Kick in dem Moment kriegst - bei günstiger Stellung zur Koje -, wo du die Pyjama-hose schon halb an hast und in die Kiste fällst.

Mein Lieblingsort ist - was das Leben mit dem Schwell angeht - die Kombüse. Du holst zwei Packungen Apfelsaft aus dem Kühlschrank und legst sie auf die Arbeitsfläche. Drehst dich nur kurz um. Und schon liegt nur noch eine da. Mist! - Eine halbe Stunde später fragt jemand mit vorwurfsvollem Unterton: Wer hat denn den Apfelsaft hier unter dem Kartentisch geparkt?
Oder: Der Smutje v.D. hat sorgfältig 6 Teller auf der Arbeitsfläche aufgereiht, nur teils auf der Antirutschmatte. Darauf hat er liebevoll die Zutaten drapiert. Er dreht sich um, um das Fleisch aus der Pfanne zu holen und... wusch, platsch, schepper, flatsch, klirr - liegt alles am anderen Ende der Arbeitsfläche auf einem Haufen. (Das größte kommt noch: in aller Ruhe stellte er die Teller wieder auf, wischte deren Ränder sauber, löffelte die Beilagen wieder auf die Teller und - stellte sie lieber schon mal auf den Tisch ohne das Fleisch. Ich an seiner Stelle wäre aus der Haut gefahren!!)

Einsamer Spitzenort für leider geheimen Slapstick ist aber die Naßzelle. Da haut es dir die Zahnbürste aus der Hand, die Wasserflasche fliegt weg und dir geht kostbares Naß verloren. Du guckst in den Spiegel und - zack - knutscht du dich selbst. Du prallst gegen die gücklicherweise verschlossene Tür, federst dich mit einer Hand ab, in der anderen die Hose auf halbmast. Du kommst langsam hoch, in der Hand das Toilettenpapier, und Rumms! sitzt du wieder auf dem Tron.

Wenn wir wiederkommen, nicht wundern, wenn der eine oder andere sich freut, wie sicher Wasserflaschen, Tassen, Bierdosen (alc frei), Marmeladengläser, Brotkörbe etc auf einem einfachen Tisch ganz ohne Antirutschmatte stehen können. Man lernt auch Demut und Bescheidenheit auf dem Atlantik...

In diesem Sinne: Man sieht sich!

Autor: Wolfgang

PS. Bevor ich es vergesse. An dieser Stelle mal einen herzlichen Dank an unseren KDE, der euch immer schön mit Fotos versorgt. Ein mühsames Geschäft, denn das Hochladen dauert...









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