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Hector - Tag 23 - der letzte Tag auf See - ein Resumée



14°38,1N 58°12,1W

Wenn alles gut und planmäßig verläuft, war gestern unser letzter voller Tag auf See. Der so schnell verflogen ist, dass wir erst heute zum Bloggen kommen. In wenigen Stunden wollen wir die Rodney Bay Marina erreichen. Die Pitons sind heute Früh aus dem Dunst in der Ferne aufgetaucht. Land in Sicht, das Ziel ist nahe! 23 volle Tage und Nächte werden wir dann auf dem Atlantik unterwegs gewesen sein. Zeit für den Versuch eines persönlichen Resumées.

Der zweite Versuch (der erste war mal wieder ein ausschweifender Rückblick bis hin zum Start unserer und Hectors Reise vor knapp drei Monaten im Mittelmeer, der dem Abenteuer Atlantiküberquerung nicht ganz gerecht wurde). Es fällt schwer, für die vergangenen drei Wochen die richtigen Worte zu finden. Die Gedanken einzufangen, die mich in dieser Zeit begleitet haben. Aus dem Wechselbad der Emotionen Sätze zu bilden. Also stelle ich mir vor, wie ich jemandem auf die Frage (und die Frage wird sicherlich kommen) "Und, wie war´s?" antworten würde.

Es war... großartig. Aufregend. Eine einmalige Erfahrung. Ereignisreich. Entbehrungsreich. Ein soziales Experiment. Wunderschön. Vielseitig. Kein Tag wie der andere, keine Nacht wie die zuvor. Entspannend. Manchmal auch anstrengend. Meistens aber trotzdem erholsam. Lehrreich. Kurzweilig. Unbezahlbar. Einsam, und doch nie allein. Lustig. Lecker. Anders. Unglaublich.

Ich stocke, während ich "entbehrungsreich" schreibe. Denn im Grunde genommen fehlte es uns an nichts. Wir haben gut und reichhaltig gegessen, kein Gericht zwei Mal (Nudeln und Serranoschinken zählte zu den Grundnahrungsmitteln, da wir von beidem noch zwei weitere Schiffe hätten versorgen können). Den frischen Fisch nicht zu vergessen. Getränke gab es diverse zur Auswahl. Alle alkoholfrei, aber auch das dankt einem der Körper. Mit unserem Frischwasservorrat zum Spülen, Duschen, Zähneputzen sind wir so sparsam und diszipliniert umgegangen, dass wir bis gestern noch über 350 l (von 700) übrig hatten, unsere Crew-Tshirts waschen konnten und uns eine ausgiebige Süßwasserdusche gönnen. Die Ressource Wasser wissen wir nun umso mehr zu schätzen. Wir hatten drei Wochen lang ein warmes Bett unter uns und ein Dach über dem Kopf, innnen wie außenbords, geschützt vor Wind, Sonne, Regen. Regen, den wir bisher (toi, toi, toi) abgesehen von ein paar Tröpfchen nicht erlebt haben. Sonne dafür satt. Selbst Schlaf mussten wir nicht entbehren, blieben doch zwischen den Wachzeiten acht Stunden Zeit dafür; mehr als manch einer zu Hause im Berufsalltag bekommt.

Was fehlte uns dann noch, was wir im Alltag als selbstverständlich betrachten? Handyempfang, Google bei der Suche nach Antworten zu fragen, Netflix? Die einhellige Meinung der Crew dazu - nein. Ganz im Gegenteil. Es war unglaublich wohltuend, einfach mal nicht erreichbar zu sein, das Smartphone nur als Wecker oder zum Fotografieren zu nutzen, nicht ständig Whatsapp, Facebook Messenger und Co auf neue Nachrichten zu prüfen, nicht das Gefühl von Kommunikationszwang zu haben. Auf der Suche nach Antworten sind bereichernde Gespräche entstanden, wir haben miteinander gesprochen, diskutiert, Ideen hergeleitet, selber wieder gedacht. Es wurde viel gelacht, Crew-Freundschaftsbändchen geknüpft, Knoten geübt, Segelstrategien erarbeitet. Wir haben den Charakter eines jeden Einzelnen kennengelernt wie es in einer Freundschaft oft erst nach Jahren möglich ist. Neue Freundschaften sind entstanden, die gemeinsamen Erinnerungen bleiben.

Statt Netflix gab es die besten Live-Filme überhaupt zur Auswahl, aus den Genren Naturspektakel, Romantik, Komödien. Wir haben unsere eigenen Filme gedreht, unsere Geschichten geschrieben und unzählige Bilder fürs Herz geschossen. Der gestrige Tag war (neben dem Besuch der Wale an und unter dem Schiff) einer der besten Filme überhaupt und noch einmal Belohnung pur. Zum Sonnenaufgang wurden wir von einer Delphinschule begrüßt, direkt vorm Bug, große und kleine nebeneinander im Formationsflug. Das Glücksgefühl, wenn alle gemeinsam aus dem Wasser springen, ich nur die Hand ausstrecken müsste, am liebsten ins Wasser springen und mit ihnen schwimmen würde - unbezahlbar. Und zum Abend hin einer der schönsten Sonnenuntergänge der vergangenen drei Wochen. Bei dem die Zeit plötzlich still steht, alle innehalten mit dem, was sie gerade machen (innehalten vom Chillen...), sich jeder (s)einen Platz auf dem Vordeck sucht und einfach nur schaut und genießt.

Mir fallen die Textzeilen eines Kölschen Liedes ein, in diesem heißt es (auf Hochdeutsch): "Heute steht die Zeit still, für einen kleinen Moment, wenn wir hier zusammen sind." Die Zeit hat uns alle zusammen geschweißt. Aus Menschen, die sich vorher größtenteils nicht kannten, ist eine Crew geworden. Eine Crew, ein Schiff. Dem Schiff gilt an dieser Stelle mein größter Dank. Danke Hector! Denn du bist es, der uns bisher sicher begleitet, uns über das Wasser und durch die Nächte getragen und uns für über drei Wochen ein Zuhause geboten hat!

Nun sind es nur noch ca. 20 Meilen bis zur Ziellinie. Ich kann es noch gar nicht glauben. Die Vorstellung, in wenigen Stunden wieder festen Boden unter den Füßen zu haben (wir werden breitbeinig über den Steg schwanken, denn "landkrank" gibt es tatsächlich auch), ist surreal. Mit einem lachenenden und einem weinenden Auge denke ich den Moment wenn es heißt: "Leinen fest, Maschinen aus, Manöver beendet." In diesem Moment, bei strahlendem Sonnenschein, glitzerndem Wasser, Blick auf das Segel wünsche ich mir, dass die Fahrt noch tagelang so weitergeht. Und doch freue ich mich gleichzeitig auf die vielen kleinen Annehmlichkeiten (Pool, Dusche, Bedienung im Restaurant, kaltes Bier an der Bar...), die das Marina- oder Landleben generell mit sich bringt, meine Familie wieder sprechen zu können und den Freunden zu berichten von dem zurückliegenden Abenteuer.

Wenn dann die Frage kommt "Und, wie war´s?", werde ich (m)eine Antwort haben.
Es war... großartig. Aufregend. Eine einmalige Erfahrung. Ereignisreich. Alles andere als entbehrungsreich. Ein soziales Experiment. Wunderschön. Vielseitig. Kein Tag wie der andere, keine Nacht wie die zuvor. Entspannend. Manchmal auch anstrengend. Meistens aber trotzdem erholsam. Lehrreich. Kurzweilig. Unbezahlbar. Einsam, und doch nie allein. Lustig. Lecker. Anders. Unglaublich.

Katrin
SY Hector
Sail & Chill



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