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Jo - Tag 28 - Nachtgedanken und schöne Nachrichten



Wenn nichts Unvorhergesehenes mehr passiert, bricht nun die letzte Nacht auf See während dieser Atlantiküberquerung auf der Barfußroute an. 113 Meilen haben wir - nur - noch vor uns. Ein guter Moment, um zurückzublicken, auf die Meilen, die hinter uns liegen, auf die gemeinsame Zeit, auf die vergangenen Monate.

2.948 Meilen zeigt aktuell der zurück gelegte Track seit Start in Las Palmas auf Gran Canaria an. Der Start, der mit Verzögerung begann und 28 Tage her ist. Ca. 3.050 Meilen werden es insgesamt sein, wenn die Maschinen aus und die Leinen fest sind in der Rodney Bay Marina auf Saint Lucia. Die Uhr wird ungefähr bei 29 Tagen und 6 Stunden stehen bleiben, wenn auch nicht mehr in der offiziellen ARC Zeitwertung, so doch zumindest auf unserem Plotter.

Als wir im Mai/Juni auf der Überquerung aus der Karibik von Sint Maarten zu den Azoren waren, haben wir genau zwei Stunden weniger gebraucht. Die sogenannte Nordroute hat zwa r ca. 400 Meilen weniger (2.607 insgesamt waren es bei uns), gilt aber wettertechnisch als anspruchsvoller, wie wir selber leidvoll erfahren mussten.

Damals steckten wir Tage lang in Flautenlöchern, um den Stürmen auf der Strecke auszuweichen, hatten technische Probleme (Ausfall einer Maschine nach einigen Tagen und damit nur noch mit halber Geschwindigkeit unterwegs) und durch Naturgewalten verursachte Arbeiten zu erledigen (speziell die von den Wellen weggerissene Notluke notdürftig fixen). Dazu kam noch das Wetter, das mit jedem Tag und jeder Meile schlechter, kälter und verregneter wurde. Statt einer ARC Flotte um uns waren wir allein unterwegs, zwar in einer privat organisierten Tracking Gruppe mit anderen Schiffen, deren Position wir täglich sehen konnten, doch Flotten Updates und die Rundum-Betreuung der ARC im Vorfeld und Nachgang gab es nicht.

Es war eine herausfordernde Erfahrung, die wir trotzdem nicht missen wollen, auch den Weg, der dann no ch folgte von den Azoren über Madeira nach Gran Canaria.

Gleichzeitig war da schon die Vorfreude auf die ARC, den Rückweg in die Karibik und natürlich der Gedanke, dass es dieses Mal sicherlich schneller klappen würde. 29 Tage für die Barfußroute, auf der der Wind uns quasi in die Karibik schiebt...? Ich hätte eine Lokalrunde drauf verwettet, dass wir vorher da sind. Gut, dass ich's nicht gemacht habe. "Der Teufel ist ein kleiner Zwerg", sagt Peter gerne. Aber auch, dass Murphy und sein Gesetz auf jedem Schiff in einer unsichtbaren Hängematte liegt und nur drauf wartet, aufzuwachen und aktiv zu werden. Was hat er gemacht? Und wie hätten wir anders, besser darauf reagieren können?

Hätte, sollte, müsste ist zwar einerseits müßig und nicht zu ändern, aber gleichzeitig hilft es uns auch, die Erlebnisse zu reflektieren und für die nächste Überquerung neue Erkenntnisse und Erfahrungen mitzunehmen.

Da war zunächst die verzögerte Ab fahrt, die uns einerseits zwar vor einer stürmischen ersten Nacht auf See bewahrt hat, andererseits dann aber auch einem Großteil der Flotte hat hinterher hinken lassen. Dem Großteil, der es geschafft hat, vor der dicken, in der Gesamtheit neuntägigen Flaute an oder unter dieser vorbei zu segeln.

Wir sind in diese rein gekommen. Und Peter und ich haben in dem naiven Glauben, dass es damit getan wäre, beschlossen, die Maschinen anzuschmeißen und so gut und weit es geht, durchzumotoren. Nur war es damit nicht getan. So viel Diesel, um die gesamte Flaute durchzufahren, hätten wir gar nicht mitnehmen können, mussten zum Ende hin mit unserem Vorrat haushalten und einen Kurs anlegen, der uns zunächst wieder wegführte vom Ziel, der aber noch segelbar war. Das wollten wir nicht zu lange machen, um uns nicht zu weit zu entfernen, doch es wäre die richtige Entscheidung gewesen, da wir sicherlich zwei, drei Tage früher den wieder einsetzenden Wind erreicht hätten. Less on learned: weniger vom vermeintlichen Verstand leiten lassen, als von den realen Wetterprognosen.

Irgendwann wurde dann wieder gesegelt, noch langsam, aber immerhin und zunächst (vor allen Dingen nachts, da deutlich angenehmer) mit Hilfe des Autopilotes. Dieser übernimmt das Steuern und erleichtert die Wachschichten. Wenn er denn funktioniert. Unser Autopilot musste leider die ein- oder andere unsanftere Behandlung bei der Bedienung erfahren und hat daraufhin beschlossen, seine Arbeit einzustellen.

Gut zwei Wochen waren wir zu diesem Zeitpunkt unterwegs. Zwei Wochen lagen noch vor uns, in denen nun permanent, Tag und Nacht, jede Minute und Sekunde, per Hand gesteuert werden musste. Das ist anstrengend, körperlich wie geistig, und erfordert höchste Konzentration. Fehlt diese nur einen Moment, kann das zu Patenthalsen (den ungeplanten Richtungsänderungen, bei denen das Segel umschlägt und das Schiff kaum mehr steuerbar ist), Kursabweichungen/Versteue rn, Schwierigkeiten beim Ein-/Ausreffen (Segelfläche verkleinern/vergrößern) und ähnlichen Manövern führen. So ein Manöver zu korrigieren und wieder Ruhe in Schiff, Crew und Kurs zu bringen dauert vielleicht zehn, zwanzig Minuten. Scheint bei 29 Tagen nicht viel, läppert sich aber in der Summe und kann inklusive der Kurskorrekturen auch noch mal 1, 2 Tage ausmachen.

Dazu dann noch der Umweg, den wir fahren mussten, um die Flaute zu entgehen, der uns zwar mehr Wind beschert hat, aber eben auch mehr Meilen...

...und so kommt dann doch einiges zusammen. 3.050 Meilen, 29 Tage und 6 Stunden, um (fast) genau zu sein, für uns alle.

Für Peter und mich waren es dieses Jahr dann insgesamt knapp 6.000 Meilen (ca. 11.110 km) und 2,5 Monate, die wir rein auf dem Atlantik verbracht haben werden. "Ein pätz Wech", ein langer Weg, wie der Kölner sagt. Aber auch ein ganz besonderer. Wenn die Leinen morgen fest sind und die Maschinen aus, dann werden w ir mit Jo unsere Atlantikrunde komplett gemacht haben.
Ob wir es noch einmal wagen werden? - Na klar, denn schließlich möchten wir die Strecke (bevorzugt die auf der Barfußroute, wo das Klima immer schöner wird) einmal unter 20 Tagen schaffen.
Ob wir nächste Woche, nächsten Monat wieder aufbrechen würden? - Definitiv nicht. Dafür freuen wir uns aktuell viel zu sehr auf die Marina mit Bars und Restaurants, die Karibik, unsere ganz normalen Sail & Chill Törns, das Wiedersehen mit Freunden, die Nächte durchschlafen zu können...

Die Freude und Gedanken teilen wir übrigens mit der ganzen Crew. Heute war noch einmal ein traumhafter Segeltag, mit schönem Wind, der Welle von hinten, strahlendem Sonnenschein und der Ruhe, die Wochen, die hinter uns allen liegen, zu reflektieren. Die Fragen, ob man es noch mal machen würde, es der eigenen Frau empfehlen, noch einmal mitfahren oder mit dem eigenen Schiff selber machen... wurden und werden gerade noch au sgiebig diskutiert wie die, ob wir nun gefühlt eine Woche oder ein halbes Jahr unterwegs waren.
Gleichzeitig ist die Spannung und Aufregung in der Luft spürbar, das Land rückt näher. Wann und von wem wird der Ruf "Land in Sicht!" ertönen? Wir tippen auf die Frühwache ab 0700 Uhr und lassen es euch wissen.

Nun geht es erst einmal in die letzte Nacht. Der Verkehr vor Saint Lucia hat deutlich zugenommen, ein wahrer Highway, wie einer so schön sagte. Immerhin zwei andere Schiffe, die wir gerade sehen können, ganz schön viel nach 29 Tagen der (fast) Einsamkeit. Also - vollste Konzentration noch mal.

Mein persönliches Highlight des Tages haben wir vorhin von einem Segelfreund und ARC Teilnehmer erfahren, der gestern bei der Prize Giving Ceremony dabei war: Wir haben wie auch bei der ARC 2018 den Preis für den besten nicht-Englisch sprachigen Blog gewonnen. Wohooo. Danke!!!

Danke an Christoph von der Peter von Sestermühe für die Info, y ou made my day. Danke an die ARC, dass ihr uns trotz Abwesenheit bedacht habt. Danke an meinen geliebten Skipper und die ganze Crew, dass ihr mir jeden Abend die Zeit zum Schreiben gegeben habt. Und zu guter Letzt - DANKE euch Lesern allen da draußen, Freunden und Familien, dass ihr unsere Reise bis hierhin mitverfolgt und uns passiv begleitet habt!

Ein kleines Stück geht die Reise noch weiter...
Doch für den Moment erst einmal wie immer - good Night!

Katrin

PS: Auf dem Foto zu sehen der Übersegler, die Seekarte für den Atlantik, auf der unsere Route und Runde eingezeichnet ist und auf der wir jeden Tag um 1200 Uhr unsere Position festgehalten haben.




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