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Lothlorien - Tag 22 - Geschrieben an Tag 23



Zum ersten Mal bin ich ganz nervös dabei, einen Blogeintrag zu schreiben. Ihr fragt euch, warum? Ganz einfach: Seitdem wir gestern angekommen sind und wieder Kontakt zur "Zivilisation" haben, trudelten von unzähligen Leuten What's App Nachrichten, SMS und E-Mails ein, von Leuten, die unseren Blog gelesen haben. Die Hälfte davon kenne ich noch nicht einmal! Es ist ein bisschen überwältigend gewesen, aber auch schön, weil es allen gefallen zu haben scheint (oder alle höflich genug waren, nicht zu sagen, dass sie mein Geschreibsel furchtbar fanden). Also möchte ich diesen Eintrag damit beginnen, Danke zu sagen: Danke an alle, die so fleißig mitgelesen und Anteil an unserem Abenteuer genommen haben; an alle, die in Gedanken mitgesegelt sind. Danke! :-)

Gestern um 07:40:45 Uhr local time sind wir unter Segeln über die Finish Line gefahren, wie es die Regeln vorschreiben. (Momentan gelten wir als Dritte, aber die Motorstunden müssen noch berücksichtigt werden, ehe das Ergebnis final ist.) Vor und hinter uns fuhren Dutzende andere Boote ein und das Funkgerät stand nicht still. Denn alle mussten 3 Meilen vorher die Finish Line anfunken und allen wurde hinterher gratuliert und ihnen wurde auf einer anderen Frequenz eine Box im Hafen zugewiesen. Ich habe diesmal das Funken übernommen, da Ralf gesteuert hat, und war ganz aufgeregt, als ich zum ersten Mal "Finish Line, Finish Line, this is Lothlorien. Over" in das Funkgerät sprach. Aber alles klappte wie am Schnürchen.

Das Einfahren in den Hafen war - unglaublich. Surreal. Alle anderen Segler, die vor uns eingetroffen waren, klatschten und riefen: "Congrats!" Oder "Welcome!" Da waren Palmen und bewaldete Berge und ein verkleideter Captain Jack Sparrow. Da waren all die Boote, deren Namen wir von unserem AIS oder von der Funkrunde kannten: Die "Cassiopeia", die "Luna", die "Mischief" und so viele andere. Joran von der "Ellen" rief Ralf zu, als wir an den ersten Stegen vorbeifuhren: "Ralf! I'm Joran! Talk to you later!" Sobald wir festlagen, kam Andrew von der ARC und irgendein Offizieller von der Tourismusgesellschaft von St. Lucia, wir bekamen jeder einen Becher Rumpunsch und alle zusammen einen Präsentekorb mit Rum und Obst in die Hand gedrückt. Klatschen, Fotos, Lachen, Umarmungen, mehr Leute, die kamen und sagten: "Lothlorien, wir sind der und der oder die und die ..." Die ersten Schritte auf dem feststehenden Steg und man wusste nicht, ob man schwankte wegen des Seegangs oder weil man den Rumpunsch auf leeren Magen getrunken hatte. Wir waren am anderen Ende der Welt und schienen alle zu kennen. Oder anders gesagt: Alle schienen unsere Freunde zu sein, obwohl man sich ja nur vom Funken kannte.

Gleich darauf haben Papa und ich uns um den Papierkram gekümmert. Wir sind zum Health Office, zum Harbour Office, zum Immigration Office und zum ARC Office gepilgert. Nachdem alle Formulare ausgefüllt waren, ging es ans Putzen: Das Boot uns die Segel wollten mit Frischwasser abgesprüht werden, für den Parasailor fand sich ein Segelmacher und und und. Auch heute ging es mit dem Putzen und Reparieren noch weiter. Aber ich greife vor. Ich wollte noch in aller Kürze einen kleinen Eindruck von St Lucia und dem Hafen schreiben: Es ist heiß. Die Sonne brennt. Der Hafen scheint beinahe ausschließlich ARC Boote zu Gast zu haben, und so herrscht eine individuelle Stimmung, irgendwie "light-headed", ein bisschen als wäre man im Urlaub, aber gleichzeitig als hätte man eine große Leistung vollbracht und als wären wir alle Gewinner. Und ich finde, das sind wir auch. Egal, an welchem Tag oder um wie viel Uhr wir die Finish Line überfahren haben. Die Einheimischen haben Marktstände aufgebaut, wo sie Souvenirs verkaufen, und bieten einem zusätzlich alle möglichen Arbeiten an: Wäschewaschen und Bootputzen vor allem. Aber super freundlich und angenehm und kein bisschen aufdringlich - ganz anders als ich es zum Beispiel aus der Türkei kenne. Man merkt außerdem, dass die Leute hier viel relaxter und easy-going sind als die Europäer, immer schnell dabei ein Lied auf den Lippen zu haben oder die Hüften zu schwingen, sobald sie irgendwo Musik hören.

Okay, noch zwei letzte Dinge, dann mache ich Schluss. Erst mal muss ich mit meiner kleinen Schwester schimpfen. Nein, natürlich nicht wirklich. Aber, Franzi, echt mal. Da gebe ich mir extra Mühe, nichts zu schreiben, was Mamas und Omas irgendwie Sorge bereiten könnte. Ich schreibe nichts von all den Booten, die umdrehen und zurück nach Las Palmas fahren mussten. Ich schreibe nichts von all den Verletzungen, den gebrochenen Masten, den Stürmen, von denen wir gehört haben. Und dann verbinden unsere Handys sich mit What's App und wir sehen, dass Franzi von all dem in einem anderen Blog gelesen und alles in die Familien-What's App Gruppe geschrieben hat. Das war schon ein bisschen lustig. ;-) Aber bei uns ist ja wirklich alles gut gegangen. Und das, so möchte ich behaupten, war KEIN Glück. Sondern unserem Captain und seiner jahrelangen Vorbereitung zu verdanken. Man kann wohl kaum zählen, für was Papa alles Ersatzteile an Bord hatte. Wirklich nicht mehr zählen kann man, wie viel Stunden Papa an diesem Boot gearbeitet hat, wie viel Geld er in das Equipment gesteckt hat, und wie oft er unterwegs das Wetter gecheckt hat, um herauszufinden, was der sicherste Kurs ist. Unserem immer wachsamen Skipper Ralf Zacharias haben wir zu verdanken, dass die ARC 2017 für uns ein unvergessliches Erlebnis war und kein Alptraum, wie für manch andere Unglückliche. Und das war das Zweite, was ich noch schreiben wollte, und ich finde, es rundet diesen (wahrscheinlich) letzten Blogeintrag wunderbar ab. Ich habe ihn mit einem "Danke" begonnen und ich ende ihn mit einem "Danke". Und das zweite Dankeschön geht an meinen Papa und unseren Skipper, dafür dass er uns sicher über den Atlantik gebracht hat (auch wenn wir ein- oder zweimal eine Meuterei erwogen haben, wenn er ein bisschen zu viel genervt hat ... Aber das ist eine andere Geschichte). :-P

PS: Jetzt habe ich doch wieder allein geschrieben und wir haben Kerstins geplanten Reflektionen nicht berücksichtigt. Aber ich hoffe, ihr verzeiht. Hier geht alles noch etwas drunter und drüber, ich sitze zwischen Werkzeug und Kabeln und über mir wird noch der reparierte Bug-Korb eingebaut.





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